Neue Vorschriften, neue Probleme: Die jährlich rund 13 Milliarden Einweg-Verpackungen und -Becher, in denen Take-Away-Speisen und -Getränke in Deutschland verkauft werden, türmen sich zu enormen Müllbergen auf. Damit soll nun Schluss sein, der Handel soll per Gesetz auf Mehrweg umstellen. Wie das Gesetzesvorhaben in der vergleichsweisen kurzen Zeit, die zur Umsetzung bleibt, realisiert werden soll, ist bislang noch unklar. Da stellt sich die Frage, ob die Kunden die logischen Konsequenzen tragen werden.

Nachhaltiges Take-Away-Geschäft – die Quadratur des Kreises?

Ab 2023 tritt in Deutschland ein im Jahr 2021 verabschiedetes Gesetz in Kraft, das für das To-Go-Geschäft im Lebensmittelbereich grundsätzlich eine Mehrwegpflicht vorsieht. Becher, Schüsseln und Teller müssen also erneut verwendbar sein, um überhaupt noch eingesetzt werden zu dürfen. Sinnvoll wäre es also, wenn der Handel für sämtliche Lebensmittelgeschäfte eine Mehrweglösung entwickeln könnte, die sinnvoll und vor allem tragfähig ist.

Hierzu besteht grundsätzlich auch Einigkeit. Geplant ist demnach ein Mehrwegangebot, das so unkompliziert zu handhaben ist, wie der Dosenpfand: Kauft der Kunde sich einen Kaffee, erhält er diesen in einem Pfandbecher, den er in jedem beliebigen Geschäft wieder einlösen kann. Soweit die Theorie. Die Praxis stellt sich – wie so häufig – deutlich komplexer dar.


Mehrwegpflicht: Riesiger Markt vor (bislang) ungelösten Problemen

Der schnelle Kaffee unterwegs, der Snack in der Mittagspause oder die Pizza für das Abendessen – To-Go-Angebote werden nach wie vor gerne genutzt. Das Thema To-Go-Angebote war Gegenstand einer Marktforschungsstudie im Juli 2022, die die Tankstellenkette HEM durchgeführt hat. Es wurden 2.182 über 18-Jährige nach ihrem Konsumverhalten befragt.

Das Ergebnis: Fast ein Viertel bestellt oder kauft vor Ort wenigstens einmal wöchentlich Take-Away-Speisen oder -Getränke. Allen voran waren dies Kaffee und Tee, aber auch Backwaren und Snacks, Cocktails und Softdrinks. Diese Angebote werden sogar von der Hälfte regelmäßig genutzt. Fast Food to go, wie zum Beispiel Hamburger, Würstchen, Döner oder Pommes Frites, kaufen 26 Prozent der Teilnehmer. Warum sind diese Angebote so interessant für die deutsche Bevölkerung?

  • 77 Prozent der deutschen Bevölkerung nutzen Take-Away ganz gezielt
  • 63 Prozent, weil die Produkte günstig sind
  • 55 Prozent, weil die Angebote lecker sind
  • 53 Prozent, weil sie schnell verfügbar sind


Offenbar konsumieren die meisten der Befragten die Angebote auf dem Arbeitsweg, im Fahrzeug oder in der mittäglichen Pause. Neben dem Stress durch permanenten Zeitdruck (63 Prozent) spielen demnach weitere Motive eine Rolle:

    • der Wunsch nach frischer Luft – 31 Prozent
    • wenig Lust zum Kochen – 22 Prozent
    • vergessene Verpflegung – 21 Prozent

Der Gedanke, diesen offensichtlich großen Bedarf an To-Go-Speisen und -Getränken mit Mehrwegverpackungen zu decken, ist nur folgerichtig. Denn auch dieses Problem ist präsent: 64 Prozent der Befragten gaben an, durchaus ein schlechtes Gewissen wegen der Einwegverpackung der konsumierten Speisen und Getränke zu haben. Ein Viertel der Teilnehmer äußerte klar den Wunsch, dass das Thema Verpackungen umweltfreundlicher gelöst werden sollte – und die Wiederverwertbarkeit spielt hier eine große Rolle.

Politische Lösung: Mehrwegpflicht weitgehend unbekannt


Ein weiterer spannender Aspekt, der sich aus der erwähnten Studie ergab: 76 Prozent der Teilnehmer wussten nicht, dass die Mehrwegpflicht mit Beginn des Jahres 2023 greifen wird – und zwar sowohl für Lieferdienst als auch für Handel und Gastronomie mit mehr als 5 Beschäftigten und einer Verkaufsfläche von mehr als 80 m2.

Dieser Gesetzesvorstoß wird überwiegend begrüßt:

    • 76 Prozent der HEM-Studienteilnehmer bewertet die Mehrwegpflicht als sinnvoll und nimmt den damit verbundenen Mehraufwand in Kauf.
    • 7 Prozent der Teilnehmer empfindet die Einweglösungen als besser und den Aufwand mit Mehrwegbehältnissen als zu groß.

Dabei gibt es Lösungen: So können To-Go-Becher beispielsweise bis zu 1.000-mal und entsprechende Schüsseln bis zu 500-mal verwendet werden – der Müllberg könnte also deutlich abnehmen. Das setzt jedoch voraus, dass ein komplettes System umgestellt wird. Die Verpackungen müssten nämlich wieder zurückgenommen, aufbereitet und erneut ausgegeben werden.

Die HEM-Kette hat für ihre 380 Stationen bundesweit bereits ein Konzept verwirklicht: Die Kunden können hier die Mehrwegverpackungen zurückgeben – und das unabhängig davon, an welcher der Tankstellen mit Bistro Vital sie die Speisen und Getränke erworben hatten. Genau an dieser Stelle hakt es jedoch bislang branchenübergreifend.


Bisher stellt sich die Frage, ob und wann es alle To-Go-Kunden irgendwann so einfach haben werden wie bei einer HEM-Tankstelle: Die Vertreter der unterschiedlichen Unternehmen des Groß- und Einzelhandels beraten zwar regelmäßig, eine branchenweite Lösung ist jedoch noch nicht greifbar. Einigkeit besteht lediglich darin, dass es bis zum Jahreswechsel keineswegs einheitliche Mehrwegbehältnisse für To-Go-Speisen und -Getränke gegen Pfand geben wird.

Die Gründe? Der Handelsverband Deutschland (HDE) sieht hier die Politik in der Verantwortung, da zum einen die Zeit für die Umsetzung zu kurz bemessen sei, zum anderen auch keine Übergangsfrist eingeräumt wurde. Letztendlich wäre es zielführend, wenn sowohl Gastronomie als auch Handel eine Einigung zu einem übergreifenden einheitlichen Pfandsystem erzielen könnten.
Leider ist davon noch nichts zu sehen. Für Kunden heißt das unter dem Strich: Mehrwegverpackungen müssen wohl noch eine ganze Zeit genau dort wieder abgegeben werden, wo sie erworben wurden. Wie oft wird das passieren?

Einordnung der Mehrwegpflicht

Dieses Verpackungsgesetz stellt nur einen Teil der im Jahr 2021 vom Bundestag beschlossenen Änderungen, denn auch die Pfandpflicht wurde erweitert – und zwar bereits mit Wirkung zum 1. Januar 2022. Seither sind auch die bis dahin ausgenommenen Getränke von der Pfandpflicht betroffen. Dazu zählen insbesondere Fruchtsäfte ohne Zusatz von Kohlensäure.

Lediglich Milch und Milchprodukte dürfen demnach noch bis zum Jahr 2024 ohne Pfand verkauft werden. Ziel dieser Gesetzesänderung ist die Stärkung

des Mehrwegsystems, um Umweltverschmutzungen durch Verpackungen deutlich zu reduzieren.

Doch auch in Bezug auf das verarbeitete Material selbst gibt es schärfere Bedingungen: PET-Flaschen sollten beispielsweise ab 2025 einen Recycling-Anteil von wenigstens 25 Prozent haben. Ab 2030 steigt dieser Anteil für sämtliche Getränkeflaschen, die aus Einweg-Kunststoff hergestellt werden, auf 30 Prozent.

Mehrwegpflicht im Detail – damit musst du rechnen

Klären wir also aus gegebenem Anlass, wer ab 2023 von der Mehrwegpflicht genau betroffen ist – und wer nicht. Die Mehrwegpflicht gilt demnach für folgende Anbieter:

    • Restaurants, Cafés, Bistros und Fast-Food-Ketten sowie Lieferdienste mit To-Go-Angeboten
    • Kantinen, Catering-Anbieter und Betriebsgastronomien

Ausgenommen sind:

    • Anbieter, die weniger als 5 Beschäftigte und eine Verkaufsfläche von weniger als 80 m2 haben.

Bevorzugst du also einen Imbiss, Kiosk oder Spätkauf, die diese Bedingungen erfüllen, dann kannst du weiter mit Einwegverpackungen rechnen. Alternativ nimmst du Behälter mit, denn die Anbieter sind dazu verpflichtet, diese zu verwenden.

Im Gegensatz dazu fallen die Bäckerei-Ketten, wie sie auf Bahnhöfen oder in großen Einkaufzentren betrieben werden, überwiegend nicht unter diese Ausnahmeregelung, denn hier werden meist mehr als 5 Mitarbeiter beschäftigt.

(Theoretische) Chancen der Mehrwegpflicht

Es liegt auf der Hand, dass die Einführung von Mehrwegbehältnissen für To-Go-Produkte ein enormer Beitrag für den Schutz der Umwelt sein könnte. Schließlich ließen sich einerseits die zur Herstellung notwendigen Ressourcen einsparen, andererseits würde eine riesige Menge an Kunststoffmüll wegfallen, der bislang nur zu einem geringen Prozentsatz recycelt wird.

Wie sieht denn die Praxis aus? Im besten Fall wird der Müll verbrannt und liefert somit wenigstens Energie. Im schlechtesten Fall landet der Kunststoff irgendwo in der Natur und über Mikroplastik sogar in den Nahrungsketten von Mensch und Tier.

Handel und Gastronomie sehen in der Mehrwegpflicht ein noch größeres Potenzial: Mit Pfandgefäßen wird die Kundenbindung gestärkt, da die Käufer diese zurückbringen müssen. Sollte sich ein Restaurant, ein Catering-Anbieter oder eine Kette für ein eigenes System entscheiden, könnten die Behälter im Corporate Design gestaltet und damit die Wiedererkennbarkeit verbessert werden.

Das Thema Nachhaltigkeit ist ebenfalls nicht zu unterschätzen, mit dem Umstieg auf Mehrwegbehältnisse könnten sich demnach neue und vor allem umweltbewusste Zielgruppen für ein Angebot interessieren. Und dann ist da die Frage der Kosten, die vor allem für kleinere Betriebe relevant ist: Schließen diese sich nämlich einem Mehrwegsystem an, eröffnet sich die Möglichkeit der Einsparung.

Doch Hand aufs Herz: Wie würdest du im Alltag mit Mehrweg-Geschirr umgehen, für das du nur dort das gezahlte Pfand erhältst, wo du die Speisen und Getränke gekauft hast? Musst du erst recherchieren, ob es diese Möglichkeit in deiner Nähe gibt, wird es noch unwahrscheinlicher, dass du die Behälter der Wiederverwertung zuführst – oder?

(Nicht zu unterschätzende) Risiken der Mehrwegpflicht

Werden Gesetze nicht eingehalten, drohen Sanktionen – das ist auch bei der ab 2023 geltenden Mehrwegpflicht nicht anders: Hält sich ein Anbieter nicht an die Auflagen, verschafft er sich einen Wettbewerbsvorteil, denn Einwegverpackungen sind auf kurze Sicht günstiger. Er spart sich also Kosten und natürlich auch den Aufwand, die Mehrwegverpackungen wieder entgegenzunehmen, zu reinigen und erneut zu nutzen.

Schon aus diesem Grund dürften Gesetzesverstöße sowohl verwaltungs- als auch zivilrechtlich geahndet werden. Die Bußgelder können demnach bis zu 100.000 Euro betragen.

Sollte festgestellt werden, dass nicht registrierte Verpackungen in den Verkehr gebracht oder Mengenmeldungen verpasst werden, drohen sogar Bußgelder in Höhe von bis zu 200.000 Euro!


Das ist noch nicht alles: So dürfen konkurrierende Unternehmen desselben Marktsegmentes, Industrie- und Handelskammer (IHK) und relevante Verbände nicht nur Auskünfte zu den Mengen bisheriger Verkäufe und deren Empfängern, sondern sogar die Betriebseinstellung fordern. Selbst Schadenersatzansprüche können erwachsen, sollten sich Unternehmen den neuen gesetzlichen Regelungen entziehen.

Derartige Prozesse bedeuten selbstredend die Einstellung des weiteren Verkaufs. Die Thematik ist bedeutend, keine Frage, allerdings hinkt eine Umsetzung, die wirklich zielführend wäre, dem gesetzlichen Anspruch derzeit hinterher.


Fazit: Mehrwegpflicht – gut gedacht, bislang unzureichend gemacht

Die Notwendigkeiten für eine derartige Pflicht liegen auf der Hand und sind mit Sicherheit für die Mehrheit der Bevölkerung einleuchtend. Allerdings stellen sich einige praktische Fragen, solange es hier kein branchenübergreifendes einheitliches Mehrwegsystem gibt – und davon sind wir offenbar noch weit entfernt. Natürlich könnten Unternehmen in eigene Mehrwegbehälter investieren und diese zu Marketingzwecken nutzen.

Ob sich Kunden dann jedoch jedes Mal aufmachen, um diese an Rücknahmestellen zu bringen, ist ein anderes Problem. Viel wahrscheinlicher ist es wohl, dass das Pfand zwar bezahlt wird, die Behältnisse aber trotzdem im Müll landen – und damit kann keinem der Beteiligten gedient sein.

Nachhaltigkeit bei Verpackungen ist nicht nur durch ein Mehrwegsystem umsetzbar. Wenn du einen genaueren Einblick zum Thema nachhaltige Verpackungen bekommen möchtest, empfehlen wir dir, dich auf unserer Webseite einmal ein wenig umzuschauen. 

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